Einst hatte der Landgraf von Hessen auf dem Reichstag zu tun. Hier geriet er, der schon ein reifer Mann war, mit dem Kaiser, der noch sehr jung an Jahren war, in einen heftigen Streit. Er wurde sogar so zornig, dass er dem hohen Herrn eine Ohrfeige verpasste. Dafür ließ ihn der Kaiser gefangen nehmen und zu Wien in einem Turm schmachten.
Als er zwei Jahre in dem festen Turme gesessen hatte, da erschien vor ihm ein Mann. Es war der Böse selbst. Der fragte den Landgrafen, ob er denn Lust habe, ewig im Kerker zu sitzen. Wenn er ihm nun verspreche, in seinem Lande die Hexen nicht mehr zu verfolgen und zu verbrennen, so wolle er ihn zurück in seine Grafschaft bringen. Er brauche nur zu bestimmen, wohin er wolle.
Der Landgraf nahm den Vorschlag des Teufels an, versprach die Hexen nicht mehr zu verfolgen und forderte, der Böse möge ihn zum Fährhaus bei Lippoldsberge bringen.
Darauf flog der Teufel mit dem Landgrafen zuerst nach Cassel. Der Fürst erinnerte ihn aber an sein Versprechen, ihn zum Fährhaus zu bringen und nun brachte der Teufel den Landgrafen tatsächlich an die Weser.
Der Fährmann mit Namen Westphal nahm den Landgrafen, der von dem Aufenthalte im Gefängnis rau und prummelig aussah, mit in sein Haus und lud ihn, da die Familie gerade beim Abendbrot saß, auch zum Essen ein: Braunen Kohl mit einem tüchtigen Stück Hernewurst. Er verweigerte aber dem Fremden, so sehr dieser auch darum bat, ihn über Nacht im Hause zu behalten, da dies vom Landgrafen verboten worden sei.
Doch der Sohn des Fährmanns fühlte Mitleid. Er machte sich heimlich an den fremden Mann heran und sagte diesem, er möge nur mit ihm gehen, er werde ihn heimlich auf den Heuboden führen, wo er schlafen könne. Nachts um zwei Uhr wolle er ihn wecken. Sein Vater würde nichts merken, da er mit den Knechten erst um vier Uhr aufstünde.
Der Fremde nahm diesen Vorschlag an. Er verließ das Fährhaus, nachdem er von dem Jungen noch ein gutes Frühstück mit auf den Weg erhalten hatte. Als die Knechte am anderen Morgen aufstanden, fanden sie an die Tür des Fährhauses geschrieben: In dieser Nacht hat der Landgraf von Hessen hier geschlafen.
Der Sohn sagte nun zum Vater, es würde ihnen gewiss übel ergehen, da er den Landgrafen habe wegjagen wollen.
Nach drei Tagen wurden Vater und Sohn von einem Boten nach Cassel zum Landgrafen gerufen. Dieser trat ihnen zunächst in dem Aufzuge entgegen, in dem er im Fährhause erschienen war. Er sagte zu den beiden Lippoldsbergern: Dass der Alte ihn nicht im Hause habe behalten wollen, sei ganz recht gewesen, weil es ja verboten gewesen sei. Dafür aber, dass er ihm zu essen gegeben habe, solle er und seine Nachkommen die Fähre ohne Pacht haben – so lange der Name Westphal bestehe.
(GudrunPorath (Hg.): Der Fiedler in der Wolfsgrube. Sagen und Märchen aus dem Solling und dem Wesertal, Holzminden 2008)

